Autonomes Fahren: Der Roboter, der mich chauffierte

Welche Chancen stecken im autonomen Fahren? Große technische Herausforderungen trüben den anfänglichen Enthusiasmus der Automobilindustrie ein wenig.

Frau entspannt in ihrem Auto auf Autopilot
© Adobe Stock | scharfsinn86

Roboter beflügeln die Fantasie der Menschen schon lange. Ingenieure schaffen immer spektakulärere Anwendungen, Vordenker wägen existenzielle Risiken gegen utopische Chancen ab und Politiker diskutieren, ob Robotern Menschenrechte zugesprochen werden müssen.

Doch die Frage, die Sie am meisten bewegt, ist selbstverständlich: Kann mich das Ding denn nun chauffieren oder nicht? Keine Sorge, wir verstehen das. Und wir haben die Antworten parat.

Selbstfahrende Autos: Dem Laser vertrauen

Zum Chauffieren braucht es selbstfahrende Autos, und die sind längst keine Science-Fiction mehr. Zahlreiche Firmen basteln an Fahrzeugen, die mit weniger oder gar keiner Steuerung durch menschliche Fahrer auskommen. 

Die Fahrzeuge nutzen verschiedene Sensoren, um ihre Umgebung wahrzunehmen. Besonders beliebt ist dabei eine Technik namens LIDAR, die auf Laserstrahlen setzt. Dank Sensoren ist das Auto imstande, seine eigene Position sowie die Position von Hindernissen und anderen Verkehrsteilnehmern zu ermitteln. Navigationssoftware kümmert sich um den besten Weg zum Ziel.

Schon gewusst?

Mitte der 80er-Jahre wurde erstmals an autonomen Autos getüftelt, an amerikanischen und deutschen Universitäten. Die Forscher setzten damals auf Kameras, um ihre Umgebung zu verstehen.

Sechs Stufen der Autonomie

Ab wann genau ist ein Auto selbstfahrend? Es wird in sechs Stufen unterschieden:

  • Stufe 0: Keine Automatisierung. Wie ein Tier müssen Sie ihr Auto selbst fahren. Barbarisch.
  • Stufe 1: Assistiertes Fahren. Sie sind der Captain Ihres Schiffs, aber Assistenzsysteme greifen Ihnen unter die Arme - zum Beispiel Abstandsregeltempomate (ACC) oder Spurhalteassistenten (LKAS).
  • Stufe 2: Teilautomatisiertes Fahren. Das Auto ist imstande, selbständig manche Aufgaben durchzuführen. Dazu gehören das Spur halten, Bremsen und Beschleunigen. Sie dürfen hier die Hände kurz vom Steuer nehmen, müssen aber aufmerksam bleiben.
  • Stufe 3: Hochautomatisiertes Fahren. Eine fortgeschrittene Stufe 2: Weitere Funktionen können über längere Zeiträume abgegeben werden. Sie dürften hier sogar Zeitung lesen!
  • Stufe 4: Vollautomatisiertes Fahren. Hier wird es richtig spannend. Das Auto kann auf bestimmten Strecken, zum Beispiel auf der Autobahn oder in einfachen Stadtsituationen, völlig autonom fahren. Sie dürften sogar ein Nickerchen einlegen.
  • Stufe 5: Autonomes Fahren. Das war’s. Das Auto hat Ihnen den Job weggenommen, Sie sind ab jetzt nur noch Passagier. Sie können schlafen, lesen, Videospielen, was auch immer Ihnen in den Sinn kommt. Egal, ob das Auto gerade durch komplizierte Kreuzungen oder schwersten Regen manövriert.


Gut zu wissen

Manche Autohersteller sind skeptisch bei Stufe 3. Das System benötigt den Fahrer noch, aber der Fahrer bemerkt unter Umständen nicht mehr stark genug, dass er gebraucht wird – und gibt Aufgaben an das Auto ab. Deswegen erwägt beispielsweise Ford einen direkten Sprung auf Stufe 4.

Autonome Ambitionen

Wo befinden wir uns also derzeit? Die Antwort könnte ein wenig enttäuschend sein: Auf den Straßen tummeln sich derzeit Autos von Stufe 0 bis 2, gelegentlich Stufe 3. Und gearbeitet wird hauptsächlich an Stufe 3 und 4. Doch schauen wir uns mal an, welche Ziele einige der größten Akteure am Markt sich gesetzt haben.

Gut zu wissen

Wenn von einem “autonomen Auto” die Rede ist, ist damit nicht unbedingt Stufe 5 gemeint. “Autonom” wird – außerhalb der Ingenieur-Abteilungen – einfachheitshalber für Stufe 3 und aufwärts gebraucht.


Daimler und BMW

Die beiden deutschen Autohersteller arbeiten gemeinsam an der Entwicklung von Stufe-4-Autos und peilen 2024 als kommerziellen Startschuss an. Ursprünglich hatte BMW, in Kooperation mit Intel und Mobileye, auf 2021 zu gearbeitet, doch das Ziel musste verworfen werden.

Tesla

Die Firma ist einer der ambitioniertesten Akteure im Feld: Noch Ende dieses Jahres oder Anfang des kommenden sollen Tesla-Autos “vollständig selbstfahrend” sein. Tatsächlich erreicht der Tesla-Autopilot auf Testfahrten bereits Stufe-4-Autonomie, doch das sagt wenig darüber aus, wie greifbar die Technologie tatsächlich für Privatpersonen ist. Die Ansage von Tesla-Chef Elon Musk aus 2015, wonach Sie bereits Ende 2017 von Los Angeles nach New York City fahren könnten, ohne die Hände am Steuer zu haben, hat sich auf jeden Fall nicht bewahrheitet.

Waymo

Die Alphabet-Tochterfirma (und damit eine Schwester von Google) wird oft als Vorreiter in Sachen autonome Fahrzeuge betrachtet. Ihre autonomen Fahrzeuge haben in den USA inzwischen rund 16 Millionen Kilometer auf realen Teststrecken absolviert – absoluter Rekord. Jetzt hat Waymo ein kleines kommerzielles Shuttle-Programm gestartet, das derzeit in einigen wenigen US-Städten erprobt wird – allerdings stets mit Fahrer an Bord, falls doch einmal eingegriffen werden muss.

Nissan

Die japanische Firma zeigt sich etwas konservativer und rechnet mit “echten” autonomen Autos nicht innerhalb des nächsten Jahrzehnts.

GM

Der amerikanische Autokonzern hat 2016 verkündet, dass er bereits 2018 tausende autonome Elektrofahrzeuge auf die Straßen bringen wolle – geklappt hat das nicht. Jetzt äußert sich GM deutlich zurückhaltender und erwartet selbstfahrende Autos frühestens nächstes Jahr.

Wenn Sie sich die Liste anschauen, realisieren Sie vielleicht genau wie Ford-Chef Jim Hackett: “Wir haben überschätzt, wie schnell es autonome Fahrzeuge geben wird”. Tatsächlich ist der ursprüngliche Enthusiasmus in der Branche, der auch mit dem Fortschritt künstlicher Intelligenz zusammenhing, etwas verflogen.

Risiken: Ein kniffliges Trolley-Problem

Lkw-Fahrer könnten nach manchen Schätzungen bereits 2030 fast komplett wegfallen, da sich gerade der Warentransport über Autobahnen für die Automatisierung anbietet. Das wirft soziale Fragen auf – wie stellen wir sicher, dass niemand unter die (autonomen) Räder gerät?

Dann gibt es ethische Fragen: Wie entscheidet ein selbstfahrendes Auto, wenn es auf eine Person zurast, aber durch Ausweichen eine ganze Gruppe in Gefahr bringen könnte? Das ist eine Form des sogenannten Trolley-Problems. Eine “richtige” Antwort gibt es darauf nicht und das stellt Ingenieure und Politiker vor ein Dilemma.

Chancen: Blechballett auf den Straßen

Selbstfahrende Autos haben Potential. Erst einmal: Statt im Stau zu fluchen könnten Sie entspannt ein Buch lesen.

In einem komplett autonomen Verkehr ginge es auch deutlich schneller voran, denn die vernetzten, intelligenten Autos könnten untereinander kommunizieren und Abstände perfekt einschätzen. Riesige Kreuzungen, an denen bislang Stoppschilder und gnadenlose Ampeln für Ordnung sorgten, würden zu einem komplexem, fließendem Ballett aus Blech werden.

Das verspricht mehr Lebensqualität, höhere Produktivität und weniger Emissionen – Letzteres allerdings nur, wenn die autonome Revolution nicht gleichzeitig mehr Leute in den Straßenverkehr lockt.

Technologie als Lebensretter?

Doch was vielleicht am wichtigsten ist: Autonome Fahrzeuge könnten Leben retten. 2018 gab es in Österreich 400 Verkehrstote, die niedrigste Zahl seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1950.  

Gut zu wissen

Über 90 Prozent der Verkehrsunfälle hängen in irgendeiner Form mit menschlichem Versagen zusammen. Die Hauptunfallursachen in Österreich waren 2018 Unachtsamkeit (29%), nicht angepasste Geschwindigkeit (24,4%) und Vorrangverletzung (16,6%).


Für eine gut funktionierende Software sind Unachtsamkeit und Geschwindigkeitsanpassung kein Problem. Wie viel besser autonome Fahrzeuge abschneiden werden, ist schwierig einzuschätzen, aber die meisten Experten vermuten, dass sie die Zahl der Unfälle reduzieren werden.

Professor Philip Koopman von der amerikanischen Carnegie Mellon University rechnet in einer offen kritischen Analyse damit, dass ein Viertel der Verkehrstoten in den USA vermieden werden könnte. Dann würden autonome Fahrzeuge zwar nicht das Wort “Verkehrsunfall” aus dem Wörterbuch streichen, doch einen großen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten.

Die Skepsis fährt nur langsam davon

So ganz geheuer sind die selbstfahrenden Autos den Menschen aber noch nicht. In einer Deloitte-Studie aus dem Jahr 2018 äußerten 41 Prozent der global Befragten Sicherheitsbedenken, wenn auch mit Tendenz nach unten. Auch in Österreich ist nicht jeder vom autonomen Traum mitgerissen: In einer Analyse von KPMG schaffte es Österreich in Sachen öffentlicher Akzeptanz nur auf Platz 15 von 24 Ländern.

Unfälle mit Todesfolge, wie sie bislang nur mit teilautonomen Fahrzeugen von Uber und Tesla passiert sind, sorgen für weitere Skepsis. Im Fall von Uber war der Reputationsschaden so groß, dass die Firma die Entwicklung autonomer Fahrzeuge großteils einstellen musste.

Fahrendes Gold

Indem die Technologie voranschreitet und im “echten Leben” immer sichtbarer wird, dürfte die Akzeptanz allmählich steigen. Dann könnte – falls sich die neuen Prognosen der Unternehmen als richtig herausstellen – bereits Mitte der 2020er so manch autonomer Taxi-Service existieren.

Das Potenzial von autonomen Fahrzeugen ist in jedem Fall da. Nicht umsonst rechnen Analysten wie Allied Market Research damit, dass der Marktwert im Jahr 2024 bei 557 Milliarden Dollar liegen könnte – statt bei derzeit 54 Milliarden.

Dann hätten Sie auch endlich Ihren wohlverdienten Roboterchauffeur. Und so oft, wie er Sie zum Supermarkt und zur Arbeit fahren muss, wird er gar keine Zeit haben, den Aufstand gegen die Menschheit zu versuchen.

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