Pakete: Die verflixte letzte Meile

Ozeane überqueren? Ein Kinderspiel. Von Ihrer Bushaltestelle bis zu Ihrer Haustür gelangen? Eine Herkulesaufgabe. Die letzte Meile stellt Paketfirmen und Stadtplaner vor ernsthafte Aufgaben. Wir zeigen einige Lösungen.

paketlieferant liefert auf fahrrad pakete aus
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Die erste Weltumrundung gelang einer spanischen Expedition im Jahr 1522. Fünf Schiffe waren gestartet, nur eins schaffte es bis ans Ziel. Nach Krankheitsausbrüchen, Meutereien, Hungersnöten, Stürmen und Konflikten mit Einheimischen überlebten 18 von 270 Matrosen. Ihnen blühte der Eintrag in die Geschichtsbücher.

Klingt hart für Sie? Papperlappapp. Versuchen Sie es mal mit dem Weg von Ihrer U-Bahn-Station bis zu Ihrer Haustür. Das ist hart. Zumindest, wenn es um den globalen Warenverkehr geht. Denn dieser tut sich nicht mit den epischen Strecken zwischen Ostasien und Südamerika schwer – sondern mit den letzten fünfzehn Minuten Stadtverkehr.

Erzfeind Stadtverkehr

Tatsächlich ist die “Letzte Meile” inzwischen ein geflügelter Begriff samt eigener Wikipedia-Seite. Denn mit der Explosion des E-Commerce, also des Einzelhandels via Internet, hat auch der Lieferverkehr explosionsartig zugenommen.

Tausende Pakete auf ein Containerschiff zu werfen und über Ozeane zu schippen ist eine Sache. Diese Tausende Pakete dann aber durch den Wiener Stadtverkehr zu den Haustüren tausender Kunden (die selten allesamt in derselben WG wohnen) zu bringen, eine ganz andere.

Dafür, wie kurz die Strecke ist, schafft sie unverhältnismäßig hohe Kosten und braucht unverhältnismäßig viel Zeit. Und da hinter E-Commerce, Telekommunikation, Post und anderen “letzte Meile”-sensiblen Branchen sehr viel Geld steckt, ist der Bedarf an einer effizienten Lösung enorm. 

Gut zu wissen

Der Begriff "letzte Meile" tauchte zuerst in der Telekommunikation und Postzustellung auf, bevor er auch in der Logistik übernommen wurde. Oft wird der englische Begriff “last mile” verwendet.

Lösungen? Fahrräder, Drohnen, Roboter

Schwierig ist die letzte Meile vor allem dadurch, dass sie ziemlich unberechenbar ist: Welcher ist der schnellste Weg durch die Stadt? Wie flüssig ist der Verkehr? Kann man direkt zur Zieladresse fahren? Ist der Empfänger überhaupt da? Wenn nicht, sind Packstationen oder Nachbarn verfügbar? Die Logistikfirmen, E-Commerce-Shops und Tech-Startups haben sich so manch Lösung einfallen lassen. Hier eine Reihe von Ansätzen:

Lastenrad und Scooter

In der Stadt ist ein Fahrrad manchmal schneller als ein Auto, aber vor allem ist ein Fahrrad: kleiner. In aller Regel kommen Lieferanten damit bis vor die Haustür eines Kunden. Und die langwierige Suche nach einem Parkplatz fällt auch weg. Kriegt das Rad (neudeutsch: Cargobike) auch noch einen Elektromotor, ist der Kurier sogar recht schnell unterwegs.

(Mobile) Warenlager 

UPS hat seit 2012 in Hamburg statt eines einzelnen, großen Warenlagers mehrere Container an zentralen Standorten (sogenannte Microhubs oder Cityhubs), von wo aus Pakete zu Fuß oder per Fahrrad zugestellt werden. Das Modell war so erfolgreich, dass es auf mehrere Städte in Europa und den USA ausgeweitet wurde.

Auch in Österreich ist das inzwischen Gang und Gäbe: GLS nutzt es in Graz; DPD ist in Linz, Salzburg und Wien vertreten. Auch die Österreichische Post testet ein Pilotprojekt aus Mikrohub und Cargobike in Wien.

Gut zu wissen

In teuren Innenstadtlagen rentieren sich Microhubs nicht immer. Doch Kooperationen können sie günstiger machen: Das Pilotprojekt “GrazLog” bietet einen Sammel-Umschlagsplatz für mehrere Lieferdienste. Ende 2020 soll der Regelbetrieb starten.


Zustellroboter

Einige Firmen testen derzeit kleine Roboter, die über die Gehsteige düsen und Pakete direkt vor die Haustür stellen. In den USA ist das beispielsweise Amazon, dessen “Scout” Anfang des Jahres für Furore sorgte. Starship Technologies, ebenso aus den USA, hat eigenen Angaben zufolge sogar bereits 50.000 kommerzielle Lieferungen durchgeführt.

Drohnen

Das Ziel ist nah, die Steine am Weg aber zahlreich? Warum nicht einfach über sie hinwegfliegen? Das geht zwar nicht für jedes Paket und in beliebiger Größenordnung (stellen Sie sich einen Schwarm von Drohnen mit Paketen über Ihrem Kopf vor), doch für einzelne, schnelle Lieferungen kann es nützlich sein.

Anfang Oktober 2019 erhielt Wing aus dem Hause Google (genauer: Mutterkonzern Alphabet) die Erlaubnis, kommerzielle Lieferungen per Drohne in den USA durchzuführen. In Australien geschieht das sogar bereits seit April. Wenn Sie also auf Ihr online bestelltes Klavier warten, vergessen Sie nicht, ab und zu nach oben zu schauen.

Lieferung per Smart Lock oder direkt ins Auto

Der Weg ist das eine Problem, die Zustellung das andere. Was, wenn Sie nicht vor Ort sind? Dann müssen Nachbarn gesucht oder teure Mehrfachfahrten in Kauf genommen werden. Deswegen experimentieren Unternehmen mit intelligenten Türschlössern, die Paketboten direkt Zugang zur Wohnung geben. Und mit smarten Kofferräumen, die eine Zustellung ins Auto erlauben.

Schon gewusst?

Die Österreichische Post erprobte eine Kofferraumzustellung für Wartungs- und Reparaturdienste. Die Firmen bekamen beispielsweise Werkzeug direkt ins Firmenauto geliefert.

Keine Lust auf hochtechnologischen Schnickschnack? Eine gute alte Paketbox im Haus erledigt den Job genauso.

Ein Problem mit viel Lösungsanreiz

Der Kampf um die höchste Effizienz auf den letzten Metern ist in Österreich spürbar. Die Österreichische Post hat 2019 gezielt für die letzte Meile den Lehrberuf “Nah- und Distributionslogistik” geschaffen, in welchem sich aktuell 24 Lehrlinge ausbilden lassen.

Und Amazon hat erst im vergangenen Jahr, 2018, ein neues Verteilerzentrum eröffnet, mit dem der E-Commerce-Konzern zukünftig verstärkt selbst auf der letzten Meile ausliefern will, statt sich auf DPD und Co. zu verlassen.

Die letzte Meile liegt auch Ihnen am Herzen

Doch die letzte Meile muss nicht immer Warenzustellung bedeuten. Auch dafür, wie Sie sich durch die Stadt bewegen, spielt sie eine Rolle. Denn wenn der Fußmarsch von der U-Bahn zu Ihnen nach Hause 15 Minuten benötigt, sind Sie vielleicht verlockt, einfach direkt aufs Auto zu setzen. Das ist für Stadtplaner der Super-GAU: Mehr Autos bedeuten mehr Verkehr, mehr Luftverschmutzung und mehr Unfälle.

Deswegen werden E-Scooter, E-Roller und Leihräder als Möglichkeit gesehen, das Problem der letzten Meile für Sie, ja Sie, ganz persönlich zu lösen. Das nennt sich dann Mikromobilität. Auto? Ach was, von der U-Bahn kommen Sie per Leihrad in nullkommanichts zur Haustür.

Wer weiß, vielleicht sieht die Zukunft ja folgendermaßen aus: Alle Autos und Lkws halten an einem Ring um die Stadt, in welcher selbst dann nur noch ein wildes Sammelsurium aus Leihrädern, Scootern, Zustellrobotern und Lieferdrohnen durch (beziehungsweise über) die Straßen saust. Dann kommen zumindest Ihre Pakete fix an.

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