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Do-it-yourself-Medizin: Heilsame Gesundheitskompetenz

Dr. Google, Tracking-Apps, KI-basierte Chatbots: Viele digitale Möglichkeiten unterstützen Patientinnen und Patienten in ihrer Gesundheitskompetenz. Das Buch „Die digitale Pille“ untersucht die Chancen und Schattenseiten von Do-it-yourself (DIY) im Gesundheitswesen.

Junger Mann am Handy mit Blutdruckmanschette
©Adobe Stock 

Das Internet ist zum ersten Gesundheitsratgeber geworden. Patientinnen und Patienten recherchieren vor und nach einem Arztbesuch online, lassen sich von Chatbots beraten. Wenn etwas zwickt, griff man früher zum Telefonhörer, um einen Arzttermin zu vereinbaren. Heute ist der Griff zum Handy das naheliegendste. Sag mir, was du über Gesundheit weißt, und ich sage dir, wie gesund du bist: Die meisten Ärztinnen und Ärzte bewerten es positiv, wenn ihre Patientinnen und Patienten sich im Internet zu ihren Beschwerden schlau machen. Schließlich bedeutet Gesundheitskompetenz auch Gesundheit.

Auf Augenhöhe mit Ärztinnen und Ärzten

„Das Rollenbild des Arztes verändert sich vom Halbgott in Weiß seit Jahren zum geschätzten Partner auf Augenhöhe“, erklärt Buchautor Elgar Fleisch.. „Teile der Medizin werden für Laien so verständlich wie Autofahren oder das Hochladen von Youtube-Videos.“  

Die Patientinnen und Patienten von morgen seien meist gesunde Bürgerinnen und Bürger, die gesund bleiben wollen, unterstreicht Fleisch. „Die Begriffe Patient, Konsument und Produzent überlappen sich immer stärker

Prof. Dr. Elgar Fleisch


UNIQA Aufsichtsrat
Dr. Elgar Fleisch

©Giulia Marthaler

  •  Steigende Gesundheitskompetenz  

  • Je nach Land und Region suchen zwischen 50 und 80 Prozent aller Patientinnen und Patienten regelmäßig medizinischen Rat im Internet. Allerdings – so das Ergebnis einer Studie der deutschen Bertelsmann Stiftung – ist es kaum möglich, die verschiedenen Informationen richtig einzuschätzen. Zu den Schattenseiten der Do-it-yourself-Medizin zählt auch die Cyberchondrie: Die durch intensive Internetrecherche ausgelöste Hypochondrie wurde inzwischen zur eigenen Diagnose. 
     

Entlastung durch digitale Selbsttriage

Zwar wird die Untersuchung durch einen exzellenten Arzt wohl noch lange das Beste für die Patientinnen und Patienten sein. Die Triage – eine erste Einschätzung der Dringlichkeit einer Behandlung via Chatbot – ist jedoch jederzeit zugänglich und „unterdurchschnittlichen Ärzten qualitativ zunehmend überlegen“, ist der Experte überzeugt. „Hier beginnt der gesteuerte Patientenprozess“, unterstreicht Fleisch. Symptomchecker-Apps (z.B. Symptoma, Babylon Health) seien perfekte Beispiele für ein digitales Triagewerkzeug.

Immer mehr Aufgaben in Patientenhand

Gerade bei Gesundheitsthemen seien die digitalen Möglichkeiten ein wunderbares Instrument, um in die Autonomie zurückzufinden. „Menschen können nur dann gesund sein, wenn sie in der Lage sind, die Kontrolle über die Dinge zu übernehmen, die ihre Gesundheit bestimmen“, unterstreicht Fleisch. Sein Rat: Ärztinnen und Ärzte sollten aktiv qualitätsgesicherte Informationsquellen empfehlen.  

 
Gesund dank Wissen 

Gesundheitskompetenz sei „ein besonders wichtiger Faktor bei der Prävention Nichtübertragbarer Krankheiten“, betont der Experte. Krebs, Herzerkrankungen und Diabetes sind mit mehreren veränderbaren Risikofaktoren verbunden: Bewegungsmangel,, schlechten Ernährungsgewohnheiten, Rauchen und Alkoholkonsum. Eine Studie in Europa zeige: Je höher die Gesundheitskompetenz, desto mehr Wert legt die Person auf körperliche Bewegung.  

 
Austausch zwischen (Experten-)Patienten 

Millionen Menschen greifen inzwischen auf den Austausch in Online-Foren zurück. Auf der US-amerikanischen Plattform PatientsLikeMe tauschen sich mehr als 600.000 Patientinnen und Patienten über mehr als 2700 Krankheiten und Beschwerden aus. Die Plattform HealthUnlocked mit vier Millionen registrierten Nutzerinnen und Nutzern wiederum bringt Patientinnen und Patienten mit Krankenkassen, Pharmaunternehmen und Ärztinnen und Ärzten zusammen. Patienten-Communities entwickeln sich zu Datengoldgruben. Das erkläre das riesige Interesse von etablierten Akteuren im Gesundheitswesen an den meist jungen und finanziell fragilen digitalen Unternehmen, unterstreicht Fleisch. 

 
Kontinuierliche Selbstvermessung

Daneben entstehen immer mehr Plattformen zur kontinuierlichen Selbstvermessung. Mit drei positiven Effekten: Die Behandlung kann besser auf die Patientin / den Patienten abgestimmt werden, wird effektiver und effizienter. Die unbestechlichen Daten helfen den Patientinnen und Patienten, den eigenen Lebensstil zu erkennen und zu verbessern. Die von ihnen freigegeben Daten tragen dazu bei, dass die Datengrundlage medizinischer Forschung immer breiter wird. 
Offiziell begann der Trend zur digital unterstützten Selbstvermessung 2007 mit der – heute global aktiven - Quantified Self-Bewegung (quantifiedself.com) in San Francisco. Inzwischen lassen sich zahllose gesundheitsrelevante Daten nebenbei via Hard- und Software kontinuierlich messen. 


Do-it-yourself-Tests

Ein oftmals unterschätzter Bereich im Gesundheitswesen ist die Diagnostik. Tests können zuhause durchgeführt werden, bei sofortigem Ergebnis per E-Mail oder SMS. „Der Do-it-yourself-Labortest löst den von der Ärztin / dem Arzt initiierten Labortest im Laufe der Zeit in Teilen ab oder ergänzt ihn. Das führt zur weiteren Entkopplung von Konsultation, Untersuchung, Generierung von Daten und spezifisch von Laborwerten“, betont Fleisch. 

Lifestyle DNA-Analyse von UNIQA

Deutlich im Trend liegen Do-it-yourself-Gentests. Wissenschaftlich fundiert ist die Lifestyle-DNA-Analyse von UNIQA. Bei dieser geht es nicht um das Erkennen von Krankheiten und Erkrankungsrisiken, sondern um den individuell optimalen Lebensstil – Bewegung, Ernährung, Entgiftung. Der wissenschaftlich fundierte Gentest zeigt, welche Lebensmittel und Trainings aufgrund persönlicher Veranlagung Gesundheit und Leistungsfähigkeit unterstützen.

Die Grenzen von Do-it-yourself

Das „Direct to Consumer Laboratory Testing” hat das Gesundheitswesen dramatisch verändert, heißt es im Journal „Annals of Clinical and Laboratory Research“.  

Viele Entwicklungen seien allerdings auch unerwünscht. So würden die Patientinnen und Patienten direkt mit den Labs zusammenarbeiten, ohne ärztlichen Rat einzuholen. Das steigere zwar die Privatheit, führe aber auch zu unnötigen Ängsten sowie falschen Diagnosen – das Sicherheitsnetz der / des interpretierenden Ärztin / Arztes falle weg. Das große Geschäft mit den DIY-Tests ließ einige Unternehmen bereits zu zweifelhaften bis kriminellen Mitteln greifen. Medizinische Produkte und Dienstleistungen sind „keine herkömmlichen Konsumgüter, auch wenn ihre zunehmende Verbreitung den Anschein erweckt“, betont Fleisch.   

Zukunft der Bürgerwissenschaften  

Immer mehr Bürgerinnen und Bürger sind bereit, ihren Beitrag zu einem verbesserten Gesundheitswesen zu leisten – ob als (Experten-)Patientinnen und -Patienten in Peer-to-Peer-Netzwerken, als Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftler oder indem sie Daten sammeln. Sie werden zu Laienforscherinnen und Laienforschern, die nicht nur sich selbst, sondern auch anderen helfen wollen. Die erweiterte Wissensbasis im digitalen Gesundheitswesen kommt so letztlich allen zugute.   

buchcover

Elgar Fleisch u.a.: "Die digitale Pille"

Erhältlich online und in fast allen größeren Buchhandlungen.


Dr. Elgar Fleisch ist Professor für Informations- und Technologiemanagement an der ETH Zürich und der Universität St. Gallen. Der gebürtige Österreicher ist Mitinitiator des wissenschaftlichen Center for Digital Health Interventions und Mitgründer mehrerer Start-ups.

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