Extremwetter und Klimawandel
Wie wird denn das Wetter heute? Eine Frage, die wir uns allerorts und jeden Morgen stellen. Wir haben Michael Fassnauer, Gründer von UBIMET zu aktuellen Wetterentwicklungen und den Einfluss des Klimawandels befragt.
Extreme Wetterereignisse sind längst keine Seltenheit mehr. Immer häufiger sorgen Gewitter, massiver Hagel oder Starkregen für Schäden an Häusern, Autos und Infrastruktur – und stellen unser gewohntes Leben auf den Kopf. Seit über zwei Jahrzehnten kooperieren UNIQA und UBIMET als größter privater Wetterdienst Europas, um Kundinnen und Kunden mit präzisen Unwetterwarnungen bestmöglich zu schützen.
Michael Fassnauer, Sie sind Gründer und Geschäftsführer von UBIMET, dem größten privaten Wetterdienst in Europa. Wie entstand die Idee zur Gründung?
Mein Mitgründer Manfred Spazierer und ich haben 1995 an der Universität Wien mit unseren Studien begonnen - er Meteorologie und ich Chemie. Bei der gemeinsamen Physikvorlesung haben wir uns besser kennengelernt und sind Freunde geworden. Irgendwann hatte Manfred den Gedanken, einen Wetterdienst zu gründen. Nach dem Hochwasser 2002 war für uns beide klar, dass es in Österreich einen großen Bedarf an hochpräzisen Wetterinformationen, insbesondere an Unwetterwarnungen gibt. Die Idee für UBIMET war geboren. Das Unternehmen gründeten wir 2004.
Die Zahl der Wetterextreme scheint ständig zuzunehmen. Was erwartet uns in Zukunft?
Die Wetterextreme werden weiterhin häufiger auftreten. Das sehen wir nicht erst seit Kurzem, sondern bereits als Trend der letzten 30 Jahre. Allein die Anzahl der Hitzetage in Wien hat sich in den letzten drei Jahrzehnten verfünffacht – von unter zehn Tagen auf über zwanzig pro Jahr. Das ist ein Beleg dafür, wie sehr sich das Wetter bereits verändert hat.
Geht es dabei nur um extreme Hitze? Oder nehmen auch andere Wetterereignisse zu?
Es betrifft alle Arten von Extremereignissen: Gewitter mit schwerem Hagel, Starkniederschläge, Sturzfluten und Dürren – und diese Effekte können sich sogar gegenseitig verstärken. Ein Beispiel: Nach mehreren Wochen Dürre – was verheerend für Landwirtschaft und Wasserversorgung ist – kann ein einziger, sehr heftiger Starkniederschlag alles wegspülen und für Hochwasser sorgen, wie wir es 2024 in Niederösterreich erlebt haben.
Und wie sieht die Situation bei Stürmen aus?
Die Häufigkeit von Stürmen nimmt zumindest in Europa derzeit tendenziell ab. Das liegt am schwächer werdenden Temperaturunterschied zwischen Äquator und Nordpol, dem sogenannten Temperaturgradienten. Dadurch ist die Bewegung in der Atmosphäre insgesamt geringer, was zu weniger und tendenziell schwächeren Stürmen führt. In anderen Regionen wie Nordamerika sieht das anders aus – dort spielen Meeresoberflächentemperaturen eine größere Rolle.
Gewitter und vor allem Hagel verursachen große Schäden – wie sehen Sie hier die Entwicklungen?
Besonders auffällig ist in den letzten Jahren die Zunahme der Größe der Hagelkörner. Das ist eine enorme Gefahr nicht nur für Sachwerte, sondern auch für die Gesundheit. Die Ursache liegt in der ‚Ortsfestigkeit‘ der Gewitter: Durch die geringe Bewegung der Atmosphäre bleiben Gewitterzellen länger über einem Gebiet, was sowohl zu höheren Niederschlagsmengen als auch zu stärkerem Hagel führt.
Die UNIQA Haushaltsversicherung und die UNIQA Teil- und Vollkasko-Versicherung ist auch bei Unwetterschäden für Sie da. Fragen Sie Ihre UNIQA Beraterin oder Ihren UNIQA Berater.
Wie hängt das extreme Wetter mit dem Klimawandel zusammen?
Der Klimawandel an sich ist statistisch zu sehen – was wir aber als Menschen wahrnehmen, ist der Wetterwandel: kürzere Winter, heißere Sommer, häufigere und intensivere Extremereignisse. Die massive Zunahme an Hitzetagen, aber eben auch an Gewittern, Starkregen oder Dürreperioden, ist eine direkte Folge der globalen Erwärmung. Klar ist auch, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre ist nachweislich durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe massiv gestiegen, was wiederum direkt zur Erwärmung beiträgt. Mit jedem Grad Erwärmung nimmt die Atmosphäre rund sieben Prozent mehr Wasserdampf auf – das bedeutet mehr Energie für extreme Unwetter.
Wie kann man das Thema 'Klimawandel' erklären?
Klimawandel wirkt für viele abstrakt, weil man ihn nicht direkt „fühlt“. Wetter hingegen ist erlebbar. Die Tatsache, dass Sommer immer heißer werden, die Hitzeperioden zunehmen und der Winter in Städten fast schon ausfällt, spüren wir direkt. Und das sind die konkreten Auswirkungen des Klimawandels auf unseren Alltag.
In Verbindung mit dem Klimawandel ist häufig von Gletschern die Rede. Welche Bedeutung hat das Abschmelzen dieser großen Eisflächen?
Gletscher spielen eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Der größte Teil des Süßwassers auf der Erde ist in Form von Eis und Gletschern gespeichert. Das Abschmelzen dieser Gletscher hat – auch im Alpenraum – gravierende Folgen. Gletscher wirken wie ein Kleber, der das Gestein zusammenhält. Verschwindet dieses Eis, wird das Gestein brüchiger und es kommt häufiger zu Felsstürzen und anderen alpinen Naturgefahren.
Dieses Rückschmelzen ist ein langfristiger, teils irreversibler Prozess. Die Auswirkungen spüren nicht nur Menschen in den Alpen. In Tibet beispielsweise ist das Gletscherwasser Grundlage für zwei große Flüsse, die Millionen Menschen mit Wasser versorgen – auch deshalb gibt es dort geopolitische Spannungen.
In Österreich werden wir die Folgen des Gletscherrückgangs noch deutlich spüren. Während in Städten der Schneefall schon jetzt wesentlich seltener auftritt, fehlt in den Alpen mit den Gletschern zunehmend eine stabile Wasserquelle, die auch für Landwirtschaft, Tourismus und Energieversorgung von Bedeutung ist.
Auch der Anstieg des Meeresspiegels wird mit dem Schmelzen großer Eisschilde, etwa auf Grönland, in Verbindung gebracht. Das Eis in diesen großen Eismassen scheint zudem schneller abzuschmelzen, als lange angenommen wurde. Gleichzeitig hebt sich das Land, wenn das Gewicht des Eises abnimmt.
Insgesamt zeigen diese Beispiele sehr deutlich, wie eng das Schicksal der Gletscher mit dem globalen Klima, regionalen Naturgefahren und den Wasserressourcen von Milliarden Menschen verknüpft ist.
Wie schwierig ist es, solche Wetterextreme vorherzusagen – und welche Rolle spielt dabei Künstliche Intelligenz (KI)?
Die Wettervorhersage bleibt eine immense Herausforderung – gerade, weil Wetter ein hochkomplexes, chaotisches System ist, dessen Entwicklung nicht exakt berechnet werden kann. Wir arbeiten bei UBIMET mit enormen Datenmengen – Tag für Tag etwa 120 Terabyte, das entspricht rund 30.000 DVDs an neuen, zu verarbeitenden Daten.
AI und insbesondere neuronale Netze kommen bei uns schon seit über 20 Jahren zum Einsatz. Aber gerade bei Extremereignissen stoßen sie an ihre Grenzen: Unwetter, etwa Überflutungen oder Starkregen, sind in den Trainingsdaten sehr selten. Das führt dazu, dass Modelle, die hauptsächlich auf solchen Daten trainieren, häufig falsche Prioritäten setzen – zum Beispiel, dass es laut AI fast nie Hochwasser gibt, einfach, weil es in 364 von 365 Tagen auch tatsächlich keines gibt.
Das gilt insbesondere für große Sprachmodelle (LLMs) oder sogenannte Deep Learning Systeme: Sie sind darauf ausgelegt, aus unzähligen Beispielen die wahrscheinlichste Antwort zu generieren. Sie sind daher eher in Bereichen mit sehr vielen, häufigen Mustern stark, aber schwächeln im Umgang mit seltenen, extremen Ereignissen wie lokalen Unwettern.
Was sind neuronale Netze konkret und wie funktionieren sie im Bereich Wettervorhersage?
Neuronale Netze sind Algorithmen, die grob dem menschlichen Gehirn nachempfunden sind und versuchen, aus komplexen Eingangsdaten Muster zu erkennen, die mit klassischen statistischen Methoden schwer zu greifen wären. Sie funktionieren wie ein Netz miteinander verbundener Knoten („Neuronen“), das Informationen verarbeitet und nicht offensichtliche Zusammenhänge herausfiltern kann.
Besonders gut eignen sie sich für Aufgaben, bei denen es viele, oft unübersichtliche Datenquellen gibt – zum Beispiel in der medizinischen Bildverarbeitung oder bei der Auswertung von Satellitendaten. Im Bereich der Meteorologie sind sie zum Beispiel nützlich bei der Mustererkennung in sehr großen Datensätzen. Aber weil extreme Wetterereignisse so selten sind, bleiben die Erfahrung und das Fachwissen der Meteorologinnen und Meteorologen unersetzlich.
Welche technischen Innovationen machen die Unwetterwarnung noch präziser?
Ein Beispiel ist unser eigenes Blitzortungssystem, das wir zuerst in Europa und dann global eingeführt haben. Gerade bei Gewittern, wo die Vorlaufzeiten oft nur 15 bis 45 Minuten betragen, sind Radar- oder Satellitendaten oft nicht ausreichend schnell und präzise. Mithilfe unseres Blitzsystems können wir frühzeitig erkennen, wo genau ein Gewitter entsteht und wie es sich entwickeln wird. So können unsere Warnungen schneller, gezielter und damit effektiver für die Bevölkerung ausgesprochen werden.
UNIQA hilft Ihnen mit punktgenauen Unwetterwarnungen - wahlweise per SMS oder E-Mail und präzise nach Postleitzahl verschickt - rechtzeitig Ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen.
UBIMET und UNIQA arbeiten seit über 20 Jahren zusammen. Wie kam es zu dieser besonderen Partnerschaft?
2004, im Gründungsjahr von UBIMET, hat uns UNIQA als erste Versicherung die Chance gegeben, Unwetterwarnungen für ihre Kundinnen und Kunden bereitzustellen. Das war damals keineswegs selbstverständlich – das Thema Startup war in Österreich noch kaum präsent, und viele Unternehmen waren Innovationen gegenüber skeptisch. UNIQA war offen, mutig und bereit, neue Wege zu gehen. Heute arbeiten weltweit über 100 Versicherungen mit uns – für UBIMET bleibt die Partnerschaft mit UNIQA trotzdem eine ganz besondere.
Was macht die Kooperation und vor allem die Unwetterwarnung so erfolgreich?
Der Erfolg beruht auf drei Säulen: Erstens denkt UNIQA sehr genau darüber nach, was ihre Kundinnen und Kunden wirklich brauchen und richtet die Angebote daran aus. Zweitens werden die Unwetterwarnungen von Kund:innen positiv aufgenommen, geschätzt und alltäglich genutzt. Drittens arbeitet das Team von UBIMET Tag und Nacht daran, diese Warnungen noch präziser, schneller und verlässlicher zu machen.
Das Besondere an der Unwetterwarnung ist ihr unmittelbarer, persönlicher Wert: Sie ermöglicht es, rechtzeitig die Familie oder Angehörige telefonisch zu erreichen und sie vor einer nahenden Gefahr zu warnen – ganz gleich, ob es darum geht, die Kinder vom Spielen ins Haus zu holen oder Eltern und Freunde in Sicherheit zu wissen. Auch wenn dadurch nicht immer ein großer Schaden verhindert werden kann, ist das Gefühl, Verantwortung zu übernehmen und Mitmenschen zu schützen, von unschätzbarem Wert.
Wir haben viele Jahre intensiv darüber nachgedacht, wann und wie Menschen eine Unwetterwarnung als besonders wertvoll empfinden. Unsere Erkenntnis: Der größte Nutzen liegt darin, frühzeitig für den Lebensmittelpunkt – das eigene Zuhause – informiert zu sein. Denn genau dort konzentriert sich das Leben; dort sind meist Partner, Kinder oder Eltern. Auch während der Arbeit wollen die Menschen informiert werden, wie es um ihr Zuhause und dessen Sicherheit steht – das zeigen alle Umfragen, nicht nur in Österreich, sondern auch in Ländern wie Australien, wo wir Kooperationspartner haben.
Am Ende ist es die Fürsorge für das eigene Umfeld, für die Familie und den wichtigsten Ort im Leben, die die Unwetterwarnung so bedeutsam macht. Das Bedürfnis, für diesen Lebensmittelpunkt informiert und vorbereitet zu sein, ist ein zutiefst menschliches und universelles – überall auf der Welt.
Wie viele Menschen profitieren heute konkret von der UNIQA Unwetterwarnung?
Heute erhalten bereits rund 500.000 Privatpersonen in Österreich rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr präzise, persönlich zugeschnittene Unwetterwarnungen, unterstützt von tausenden UNIQA Vertriebsmitarbeitenden, die diese Services in die Bevölkerung tragen. Das ist ein europaweit einzigartiges und vielfach prämiertes Warnsystem, das im Ernstfall nicht nur Hab und Gut, sondern oft auch Gesundheit und Leben schützt.
Abschließend: Wie blicken Sie auf die kommenden Jahre?
Unser Wetter wird chaotischer, heftiger, unberechenbarer. Präzise, rechtzeitige Unwetterwarnungen werden immer bedeutsamer – für jeden Einzelnen und für die Gemeinschaft. Die Partnerschaft von UNIQA und UBIMET steht für eine Allianz im Dienst der Sicherheit. 21 Jahre nach der Gründung sind wir dankbar und stolz darauf, einen echten Sinn darin gefunden zu haben, Menschen vor den wachsenden Risiken des Extremwetters zu schützen. Zugleich glaube ich, dass technologische Innovationen und eine kluge Kreislaufwirtschaft uns helfen werden, die kommenden Herausforderungen besser zu meistern.
Herr Fassnauer, herzlichen Dank für das Gespräch.