Gender-Medizin: Das Geschlecht macht den Unterschied

Frauen und Männern kränkeln zwar ähnlich, aber nicht immer gleich. Die Gender-Medizin rückt bei Prävention, Diagnose und Therapie ein Augenmerk auf das biologische Geschlecht – und nicht nur das …

patient bei aerztin
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Vor etwa 30 Jahren veröffentlichte die amerikanische Kardiologin Bernadine Healy einen Artikel im New England Journal of Medicine, in dem sie feststellte, dass Frauen sich am besten als Männer verkleiden sollten, bevor sie zu Ärztinnen oder Ärzten gehen. Um als Herzpatientin optimal versorgt zu werden, sei dies nötig, da weibliche Symptome meist als weniger dringlich eingestuft würden als jene ihrer männlichen Leidensgenossen. Dieses Phänomen wurde als Yentl-Syndrom bekannt.

Bis in die 1990er Jahre wurden etwa Herz-Medikamente nur an Männern getestet, die Wechselwirkungen mit dem weiblichen Hormonhaushalt blieben unerforscht. 

Nicht alle über einen Kamm scheren

Alexandra Kautzky-Willer, seit zehn Jahren die erste Professorin für Gender-Medizin in Österreich und Vorreiterin auf diesem Gebiet, sieht hier gleichermaßen Aufholbedarf und Chancen: „Es geht nicht nur um das biologische Geschlecht, auf das schon allein wegen der unterschiedlichen Hormonsituation bei Mann und Frau Rücksicht genommen werden muss. Auch das soziale, gesellschaftliche Geschlecht ist ausschlaggebend: Anerzogene und erlernte Rollen, Sozialisierung, Verhalten, Umfeld – all das muss miteinbezogen werden. Im Grunde geht es um patientenzentrierte, individualisierte Medizin.“ 

Mediziner können nicht alles über einen Kamm scheren: Von Gesundheitsverhalten und Prävention über Symptome, Krankheitsverlauf und Diagnose bis zu Therapie und Rehabilitation – der Mensch müsse in seiner Gesamtheit betrachtet werden. Daher ist die Gender-Medizin auch ein interdisziplinäres Fach – ein bio-psycho-soziales Gesundheits-Modell. 

„Wenn man als Ärztin oder Arzt auf eine Patientin, einen Patienten trifft, braucht es oft viel Zeit und auch die nötigen Grundkenntnisse, um herauszufinden, welche Faktoren worauf Einfluss nehmen könnten“, so Kautzky-Willer. Die Expertin empfiehlt daher, bei einem Arzt-Besuch immer darauf zu achten, ob tatsächlich ein umfassendes Bild erhoben wird, bevor man sich etwa mit Psychopharmaka abspeisen lässt. 

Frauen müssen auf sich schauen, Männer weniger coole Machos sein 

Obwohl Frauen bereits ab der Pubertät einen insgesamt schlechteren Gesundheitszustand angeben als Männer, sind sie in jungen Jahren durch die weiblichen Sexualhormone besser vor Stoffwechsel-, Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen geschützt. Gerade in der reproduktiven Phase bestehen viele Unterschiede zwischen Männer und Frauen in den Krankheitsbildern.

Bei Frauen wären die Jahre der Menopause jene, ab denen die Gender-medizinische Betrachtungsweise insbesondere nötig wird. „Die Hormone verändern sich, der Körper setzt sich neu zusammen – verschiedene Gesundheitsrisiken nehmen zu.“ Auch wenn Frauen zwar grundsätzlich mehr Wert auf gesunde Ernährung legen würden, sei es in dieser Lebensphase besonders schwer, so auf sich zu achten, wie es nötig wäre. Kautzky-Willer: „Frauen tendieren dazu, sich mehr um andere zu kümmern, als um sich selbst. Spätestens dann ist es aber wichtig, auf sich selbst zu schauen.“ 

Männer seien schon früher gefährdet, da sie dazu neigen, sich insgesamt risikoreicher und selbstschädigender zu verhalten: „Das Coole-Macho-Image fordert seinen Tribut. Viele Männer essen sehr ungesund, haben mehr ungesundes Bauchfett, erkranken früher an Krebs, Diabetes oder einem Herzinfarkt und haben ein schwächeres Immunsystem.“ 

Pauschal gesprochen empfiehlt die Gender-Medizinerin Frauen präventiv mehr Bewegung und mehr Selbstliebe, Männern dafür einen strengeren Blick auf ihre Ernährung und ihre seelische Gesundheit, um langfristig gesund zu bleiben. 

Zur Person
Prof.in Dr.in Alexandra Kautzky-Willer ist Vorreiterin zum Thema Gender-Medizin in Österreich, die führende Expertin zum Thema und Leiterin der Abteilung Gender-Medizin an der MedUni Wien. Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen und mehrfache Preisträgerin zu ihren Forschungen und Tätigkeiten. 

Gut zu wissen

Noch mehr Details zur Gendermedizin gibt es im UNIQA Podcast "gemeinsam besser leben". Wir sprechen in dieser Folge mit Univ. Prof.in Dr.in Strametz-Juranek darüber, welchen Einfluss unsere Biologie und das soziale Umfeld auf unsere Gesundheit haben - und was Gendermedizin mit Männern zu tun hat. Gleich reinhören!

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