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Kein Tabu, sondern Alltag: Wie Zykluswissen unseren Arbeitsalltag verändern kann

Menstruation ist ein Thema, über das viele lieber nicht sprechen, besonders im beruflichen Kontext. Doch wer sich den Zahlen stellt, erkennt: Etwa jede zweite Person im erwerbsfähigen Alter hat regelmäßig eine Menstruation. Trotzdem wird kaum darüber gesprochen, wie sich Zyklus, Regelschmerzen oder hormonelle Schwankungen auf den Arbeitsalltag auswirken.

Elisabeth Heinzl, Gründerin der Aufklärungsinitiative femergency, will genau das ändern. Sie plädiert dafür, Zyklusgesundheit endlich als selbstverständlichen Teil von Arbeitskultur und Gesundheit zu verstehen. „Der Zyklus ist kein Einzelereignis, sondern ein natürlicher Rhythmus, der den ganzen Körper beeinflusst, ähnlich wie der Schlafrhythmus oder die innere Uhr“, erklärt Heinzl. „Er betrifft nicht nur die Fortpflanzung, sondern auch Energie, Konzentration, Stimmung, Schlaf und Leistung.“ 

Zykluswissen als Schlüssel für gesunde Arbeitsroutinen

Wer den eigenen Zyklus kennt, kann Arbeit und Energie besser planen. In der Menstruationsphase helfen Pausen und Ruhe, in der Follikel- und Eisprungphase ist die Energie am größten – ideal für kreative Projekte oder Meetings. In der Lutealphase hingegen lohnt es sich, Aufgaben zu strukturieren und bewusster zu arbeiten. Dieses Wissen unterstützt realistische Planung und einen gesünderen Umgang mit den eigenen Ressourcen. 

In körperlich fordernden Berufen, etwa als Kellner:in, Verkäufer:in oder Pflegekraft, ist es wichtig, in den aktiven Phasen die Energie gut zu nutzen, aber rund um die Menstruation auf Schlaf und ausreichend Flüssigkeit zu achten. Auch kleine Auszeiten wo möglich, zum Beispiel ein Moment zum Durchatmen, ein Glas Wasser, eine kurze Dehnung, können helfen, den Körper zu entlasten.

Zyklusbasiertes Arbeiten: Tipps für realistische Planung im Alltag

Zyklusbewusst zu leben, bedeutet den eigenen Rhythmus zu respektieren und im Alltag kleine, realistische Veränderungen zuzulassen.

Für den Alltag heißt das:

  • In Hochphasen kreative oder anspruchsvolle Projekte vorantreiben.
  • In ruhigeren Phasen Routineaufgaben erledigen.
  • Auf den Körper hören und Pausen ohne schlechtes Gewissen zulassen.

„Ich sehe das wie einen Dialog mit dem eigenen Körper“, sagt Heinzl. „Je besser man zuhört, desto klarer wird, was man braucht und desto besser kann man mit seinen Ressourcen umgehen.“

Warum wir endlich über Menstruation am Arbeitsplatz sprechen müssen

Noch immer gilt Menstruation in vielen Unternehmen als Tabuthema. Historisch wurde sie gesellschaftlich lange verschwiegen und mit Scham und Unreinheit belegt. Heinzl erklärt, warum das so tief sitzt: „Frauen mussten sich ihren Platz im Berufsleben hart erkämpfen. Über Beschwerden zu sprechen, galt als Schwäche. Viele haben gelernt, einfach weiterzumachen, auch wenn der Körper längst signalisiert, dass er eine Pause braucht.“

Doch genau diese Haltung führt dazu, dass viele Menschen trotz Schmerzen, Müdigkeit oder starker Blutungen arbeiten. Das hat Folgen für die Gesundheit und für unser Verständnis von Belastbarkeit. „Wenn Menstruation im Arbeitskontext keinen Platz hat, entsteht schnell der Eindruck, dass Leistung immer gleich aussehen muss, jeden Tag, unabhängig davon, wie es einem geht. Dabei ist kein Körper konstant leistungsfähig, und das ist völlig normal.“

Leistungsfähigkeit neu denken: Fairness durch Verständnis

Menstruation schränkt nämlich nicht die Leistungsfähigkeit ein. Sie verändert lediglich, wie Leistung aussieht: In manchen Phasen sind Fokus, Struktur und Genauigkeit stärker ausgeprägt, in anderen Kreativität, Energie und Kommunikationskraft. Wenn wir Menstruation am Arbeitsplatz mitdenken, entsteht eine neue Form von Fairness: eine, die Leistung und Fürsorge verbindet. Denn nur wer gut mit seinen Ressourcen umgeht, kann sie langfristig einsetzen. Für sich selbst, für das Team und für eine gesunde Arbeitswelt.

Was Unternehmen tun können – und warum es alle betrifft

Enttabuisierung, auch in der Unternehmenskultur, beginnt schon bei den kleinen Dingen:

  • Periodenprodukte selbstverständlich in den Toiletten bereitstellen,
  • flexible Arbeitszeiten bei starken Beschwerden ermöglichen,
  • und eine offene, wertfreie Sprache fördern, also Begriffe wie „die Tage“ oder „die Regel“ vermeiden, weil sie die Menstruation verharmlosen oder ins Lächerliche ziehen. Stattdessen sollten neutrale, sachliche Formulierungen wie „Menstruation“ oder „Periode“ verwendet werden.

„Enttabuisierung zeigt sich für mich im Umgang“, sagt Heinzl. „Es geht um Bewusstsein und Rücksicht, genauso, wie wir sie bei anderen gesundheitlichen Themen längst leben.“ Auch Führungskräfte und HR-Teams spielen eine wichtige Rolle. Wenn Menstruation und Zykluswissen in Gesundheitsgesprächen oder im Diversity-Kontext mitgedacht werden, entsteht zunehmend Normalität.

Warum auch Männer gefragt sind

Menstruation betrifft nicht nur menstruierende Personen. Sie betrifft Teams, Kommunikation und Arbeitskultur insgesamt. Wenn auch Männer verstehen, was während eines Zyklus passiert, entstehen automatisch mehr Empathie und weniger Missverständnisse. „Ein offenes Klima entsteht durch kleine Zeichen von Respekt“, betont Heinzl. „Zuhören, nicht witzeln, nachfragen, das reicht oft schon. Entstigmatisierung beginnt da, wo Verständnis selbstverständlich wird.“ Sprache spielt dabei eine zentrale Rolle: Wenn Begriffe wie Menstruation oder Periode selbstverständlich verwendet werden, verliert das Thema seinen Schrecken.

Von Aufklärung zu Normalität

Am Ende geht es weder um Sonderregeln noch um Bevorzugung, es geht um eine ehrliche, gesunde Arbeitskultur. Heinzl wünscht sich, dass Zyklusgesundheit als Teil allgemeiner Gesundheitskompetenz verstanden wird, frei von Scham und unnötigen Stereotypen. „Ich wünsche mir, dass Zykluswissen zur Allgemeinbildung gehört“, sagt sie. „Weil es uns alle betrifft, direkt oder indirekt. Verständnis ist der erste Schritt zu echter Gleichberechtigung.“

Sissi Heinzl © femergency
© femergency
Zur Person

Elisabeth Heinzl ist Gründerin von femergency, einer Aufklärungsinitiative aus Österreich, die Zykluswissen alltagstauglich macht und Selbstfürsorge enttabuisiert. Die Wienerin setzt auf verständliche, schamfreie Aufklärung. 

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