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Das Badezimmer als Diagnosestraße: Smart Mirrors in der Medizin

Lassen so manches Labor alt aussehen: Smart Mirrors

Smart Mirror
©metamorworks - stock.adobe.com

Intelligenter Gesundheitsspiegel

Das Smartphone als ultimativer Gesundheitsmanager steckt noch in den Kinderschuhen, da entdeckt die Medizin schon den nächsten Alltagsgegenstand, der in seiner „smarten“ Variante unser Leben länger, besser und sicherer machen könnte: Der gute alte Badezimmerspiegel hat offenbar das Potential, ein echter Allrounder der digitalen Medizin zu werden. Wie ein in der Zeitschrift Nature erschienener Übersichtsartikel zeigt, braucht es dazu lediglich ein bisschen Machine Learning, optische Bilderkennung und biomedizinische Forschung.

Es ist eine zugegebenermaßen merkwürdige Vorstellung, morgens noch vor der ersten Tasse Kaffee ein kardiales Risiko-Assessment zu durchlaufen und beim Polieren der Backenzähne auf dysplastische Nävi gescannt zu werden. Doch wenn es nach den Autoren von Nature geht, steht mit dem Spiegel eine 8.000 Jahre alte Technologie kurz vor ihrem ersten Evolutionssprung. Bisher gibt es zwar nur im Bereich Mobilität mit smarten Rückspiegeln und im Bereich Textilität mit virtuellen Umkleidekabinen marktreife Anwendungen, aber Healthcare soll schon bald folgen.

Und das soll der intelligente Gesundheitsspiegel alles können:

Passives Monitoring: Smart Mirrors erfassen Hautveränderungen, Emotionen, Haltung und Körperkonturen und leiten daraus Feedbacks, etwa zum Herz-Kreislaufrisiko, ab.

Dynamisches Monitoring: Der Spiegel empfängt vom Benutzer aktive Inputs, zum Beispiel für eine Ganganalyse, Tests zur kognitiven Leistungsfähigkeit, Griffstärke und Stimmanalyse.

Digitales Biomarker-Screening: Darunter versteht man die automatische Aufzeichnung von Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz oder Stresslevel.

Telemedizin: Smart Mirrors unterstützen die Fernbeziehung zwischen Arzt und Patient durch größere Bildgebung, Integration der persönlichen Gesundheitsdaten und personalisierte Visualisierungen.

Gesundheit und Fitness: Smart Mirror-Anwendungen helfen beim Abnehmen, bei gesunder Ernährung und beim Trainieren.

AI macht's möglich

Klingt ja alles ganz vielversprechend, aber wie soll ein Spiegel etwa den Blutdruck oder die Herzfrequenz bestimmen? In einer Reihe von Studien konnte gezeigt werden, dass über kleinste Abweichungen in der Reflexion optischer Signale im Gesicht von Versuchspersonen Schlüsse auf Veränderungen im Blutfluss und damit auf die Herz- und Atemfrequenz gezogen werden können. Seither wurden immer bessere Algorithmen und Messtechniken entwickelt, die in Kombination mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz (AI) zu erstaunlich präzisen Ergebnissen führen. 

Apropos künstliche Intelligenz: Die Fortschritte der letzten Jahre machen es möglich, dass Computer die visuelle Welt „verstehen“ können. Vor allem der Ansatz des so genannten Deep Learnings, der Anleihen vom Aufbau neuronaler Netzwerke nimmt, hat wesentlich zur Realisierung von „Computer Vision“ und damit zur Entwicklung des Smart Mirrors geleistet. Aus der Verknüpfung seiner visuellen Inputs mit Daten aus Wearables, anderen vernetzten Tools für Gesundheitschecks und den Daten des EHR, des Electronic Health Records, können AI-Anwendungen potentiell gesundheitsrelevante Muster auslesen, falls vom Anwender erwünscht mit größeren Datenökosystemen in der Cloud abgleichen und diese Befunde mit den involvierten Ärzten, Trainern oder Physiotherapeuten teilen.

Alles Zukunftsmusik?

Nun die technische Realisierung ist eigentlich kein größeres Problem, wie die Autoren von Nature anmerken. Schließlich sei es ihnen in wenigen Wochen gelungen mit frei oder günstig erhältlichen Soft- und Hardwarekomponenten den Prototyp eines intelligenten Spiegels zu basteln. Ihrer Ansicht nach wird es in Zukunft auch möglich sein, dass Entwickler verschiedene Gesundheitsanwendungen speziell für Smart Mirrors aufsetzen und über einen Google Play oder dem Apple Store ähnlichen Marktplatz vertreiben, was die Vielfalt der Applikationen weiter erhöhen würde. Der frühmorgendliche Kampf ums Badezimmer könnte jedenfalls in Zukunft deutlich an Verbissenheit zulegen.

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