Die Pneumonie-Diagnose aus dem Internetbrowser
Chester ist eine Software zur diagnostischen Auswertung von Röntgenaufnahmen des Thorax.
Immer verfügbar, gratis und garantiert komplett menschenfrei
Ein Team der kanadischen Cornell Universität und der auf AI-Forschung spezialisierten Einrichtung Mila hat es tatsächlich getan. Sie haben der Welt Chester, den ersten künstlich-intelligenten Radiologie-Assistenten geschenkt. Und zwar buchstäblich: Die Software zur diagnostischen Auswertung von Röntgenaufnahmen des Thorax kann völlig kostenfrei in einen PC- oder Smartphone-Browser geladen werden. Wer sie benützen will, muss nur akzeptieren, dass sie „not for medical use“ ist – aha.
Künstliche Intelligenz befundet mein Thoraxröntgen - und verschickt dabei keine Daten
Die bildgebende Diagnostik ist eindeutig die Paradedisziplin der Artificial Intelligence in der Medizin. Während die einschlägigen Assistenzsysteme stammeln und die Datenerfassungsprogramme noch in die Volksschule gehen, sind die Anwendungen im Bereich Visual Recognition teilweise schon ziemlich ausgereift. Eines der aktuell aufsehenerregendsten Projekte ist das AI-Radiologie-Programm Chester. Wie der Name bereits andeutet, dient das Programm der radiologischen Befundung von Erkrankungen im Bereich des Thorax, also vornehmlich pneumologischen Entitäten. Und es macht seinen Job ziemlich gut: Die Trefferquote soll derzeit bei 80% liegen, Tendenz steigend.
Befundung direkt am Endgerät
Was Chester besonders spektakulär macht, ist die Art, wie das Programm funktioniert – nämlich ausschließlich browserbasiert. Wer Chester über die Website https://mlmed.org/tools/xray/ startet, der lädt zunächst eine Open Source AI-Anwendung basierend auf dem Ansatz eines neuronalen Netzes in seinen Browser, also das Programm, über das er im Internet surft. Dann importiert er das Röntgenbild, das er befunden möchte, in die Anwendung und lässt das Diagnoseprogramm laufen. Im gesamten Prozess werden also keinerlei Bilder oder andere Daten verschickt. Alles bleibt am Computer des Anwenders. Chester präsentiert sich als echter Datenschutz-Musterschüler.
Kostenloser Prototyp
Entwickelt wurde Chester vom kanadischen AI-Institut Mila in Zusammenarbeit mit der Universität von Montreal. Über ein eher spartanisches User Interface, das ein bisschen professionelles Design Know-how gut vertragen könnte, erhält man die Info, wie wahrscheinlich es ist, dass man an Erkrankungen wie Pneumonie, Lungenödem, Atelektase & Co leidet. Insgesamt sind derzeit 14 Erkrankungen abgedeckt. Das Programm kann übrigens auf der ganzen Welt von jedem Gerät mit einem Webbrowser, also auch am Smartphone, kostenlos verwendet werden. Der Anwender muss lediglich bestätigen, dass ihm klar ist, dass Chester ein Prototyp und „not vor medical use“ ist. Eine etwas unglückliche Formulierung, denn wofür soll Chester denn sonst verwendet werden? Klar, gemeint ist, dass das Programm nicht zur eigenständigen Diagnose ohne Konsultation eines Arztes eingesetzt werden soll. Es erlaubt vielmehr einen Blick in die Zukunft der Medizin.