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Amazon – nach dem e-Commerce kommt der h(ealth)-Commerce

Logistisches Know-how, gewaltige Serverkapazitäten und eine bekannte Marke machen Amazon zu einem potentiellen Big Player im Gesundheitswesen.

Digital Health
©zapp2photo - stock.adobe.com

Amazon erobert Gesundheitsmarkt

Während Apple beim Ausbau seiner gesundheitsbezogenen Services den Patienten als Kunden in den Mittelpunkt stellt, Microsoft sich dem Thema eher von der Datenverarbeitungsseite her annähert und Google in der Medizin eine Spielwiese für künstliche Intelligenz sieht, lassen sich die Healthcare-Aktivitäten von Amazon nicht so einfach auf einen Nenner bringen. Dennoch sehen Experten den Online-Händler an zweiter Stelle, wenn es um die Bedeutung für das Gesundheitswesen der Zukunft geht – gleich hinter Google. Lesen Sie hier, wie Amazon seine Stärken in der Abwicklung von Transaktionsprozessen, seinen Zugang zu hunderten Millionen von Kunden und seine gewaltigen Serverkapazitäten einsetzt, um den Gesundheitsmarkt zu erobern.

Investitionsoffensive im Gesundheitswesen

Als im Jahr 2018 Amazon und die beiden Finanzunternehmen JP Morgan und Berkshire-Hathaway ein Joint Venture im Gesundheitsbereich verkündet haben, war davon die Rede, dass die Partner ein unabhängiges Healthcare-Unternehmen schaffen wollen. Ziel sei es, die hohen Kosten im Gesundheitswesen zu senken und gleichzeitig die Qualität der Versorgung zu erhöhen. Das neue und neuartige Unternehmen sollte alle wesentlichen Services im Gesundheitsbereich erbringen, von der Zustellung von Medikamenten, über die telemedizinische und physische Bereitstellung von Ärzten und Pflegekräften bis zur Abwicklung von Versicherungsfällen. Apropos Medikamente: Amazons erster Versuch, sein e-Commerce-Geschäft in Richtung Online-Apotheke auszubauen, hat bereits im Jahr 1999 mit einem Investment in Drugstore.com stattgefunden. Das Unternehmen holte sich damals das, was man wohl als blutige Nase bezeichnen muss. Zu undurchdringlich war der regulatorisch dichte und von Mittelmännern und Stakeholdern bevölkerte Dschungel des Gesundheitswesens. 

Versand-Apotheke PillPack bereits amazoniert

Mit der erst kürzlich erfolgten Akquisition der Online-Apotheke PillPack hat sich Amazon nun nicht nur ein Unternehmen mit 100 Mio. Dollar Umsatz und einer funktionierenden Lieferkette sondern auch Apothekenlizenzen in 50 US-Staaten gesichert. PillPack zeigt zudem, wie sich durch eine radikal kundenzentrierte Herangehensweise echte Innovationen mit Mehrwert für die Patienten schaffen lassen. Wie schon der Name andeutet, sortiert PillPack die Medikamente seiner Kunden nach Tageszeit und liefert sie in einem personalisierten Paket mit kleinen, übersichtlich beschrifteten Tagespäckchen. Das Potential, das sich PillPack durch die Übernahme durch Amazon eröffnet, kann nicht groß genug eingeschätzt werden. Immerhin hat Amazon weltweit 300 Mio. Kunden, davon etwa 100 Mio. Prime-Mitglieder.

Haven: weit weg vom sicheren Hafen

Zurück zur Partnerschaft von Amazon mit JP Morgan und Bershire-Hathaway und ihrem als Joint Venture gegründeten Gesundheitsunternehmen namens Haven. Zum gewaltigen Kundenstock von Amazon kommen nun noch die insgesamt 1,2 Mio. Angestellten der drei Unternehmen. Eine ideale Spielwiese um neue Services auszutesten – theoretisch. Praktisch ist man bei Haven offenbar nicht wirklich weitergekommen. Zuletzt haben einige Mitglieder des hochkarätigen Boards das Unternehmen wieder verlassen, darunter auch Haven-CEO Atul Gawande, Chirurg, Autor und prominenter Vordenker im Healthcare-Bereich. Während Haven offenbar gerade dabei ist, daran zu scheitern das Gesundheitswesen komplett vom Kopf auf die Füße zu stellen, hat Amazon das eigene Joint Venture rechts überholt und letztes Jahr Amazon Care gegründet. Amazon Care ist – nun ja – ein neuartiges Gesundheitsunternehmen, das mit Telemedizin, Hausbesuchen von Pflegekräften und Medikamentenzustellung die komplette Versorgungskette anbietet. Alles natürlich funktional zugänglich über eine Smartphone-App. Allerdings ist Amazon Care bis auf weiteres nur für Amazon-Angestellte in ausgewählten Bezirken rund um Seattle verfügbar. Von einem landesweiten, oder gar weltweiten Angebot ist man also noch weit entfernt. 

Alexa hat dazugelernt

Kein Artikel über eines der großen Technikunternehmen ohne Hinweis auf ein bis zwei digitale Innovationen. Im Beispiel von Amazon ist das eine klassische Machine Learning Anwendung über den Bildschirm des Amazon Echo, der als physische Homebase für Alexa fungiert. Amazon hat ein Patent angemeldet, das sich mit der Bestimmung von Herzfrequenz und Durchblutung über Muster in den Strukturen des Gesichts beschäftigt, etwas, das auch Googles „intelligenter“ Badezimmerspiegel kann. Alexa ist mittlerweile auch in der Lage pathologische Atemgeräusche zu identifizieren. In 97% der Fälle wurde im Rahmen einer Studie die einem Herzstillstand in etwa der Hälfte der Fälle vorausgehende Schnappatmung richtig erkannt – übrigens auch von einem iPhone und einem Samsung Handy. Seit Alexa im letzten Jahr seine ersten HIPAA (Health Insurance Portability and Accountability Act)-konformen Skills, also Anwendungen, gelauncht hat, steht der Befüllung einer elektronischen Patientenakte über das akustische Interface von Alexa nichts mehr im Wege.

Elektronische Patientenakte made by Amazon

Last but not least sei die Beteiligung von Amazon an GRAIL erwähnt, ein Startup das sich auf die Ultra-Früherkennung von Krebserkrankungen über im Blut frei zirkulierende Nukleinsäuren spezialisiert hat. Um daraus eine marktfähige, klinisch zuverlässige Anwendung zu machen sind neben Deep Learning enorme Serverkapazitäten nötig. Damit sind wir auch schon beim letzten Baustein der Amazon Gesundheitswelt der Zukunft angelangt: Amazon Web Services, kurz AWS stellt seine Rechenkapazitäten für Unternehmen wie GRAIL, aber auch für Labors und Forschungseinrichtungen zur Verfügung und könnte die über Machine Learning Anwendungen identifizierten biometrischen Daten und pathologischen Muster sowie die von Ärzten diktierten Diagnosen und Therapien zu einer einheitlichen elektronischen Patientenakte made by Amazon zusammenfassen.

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