Trinkt Wasser, Kinder!
Zucker ist ein Risikofaktor für gesundheitliche Probleme und chronische Krankheiten wie Adipositas oder Diabetes Typ 2. Kinder sollten deshalb vom Start weg durch eine ausgewogene Ernährung und gesundes Trinkverhalten gestärkt werden. Gut, wenn das später in Bildungseinrichtungen fortgeführt wird: In den Wiener Wasserschulen lernen Kinder, wie gut Leitungswasser schmeckt und tut - der eigenen Gesundheit und der Umwelt.
Regelmäßig (Leitungs-)Wasser zu trinken und damit den Flüssigkeitsbedarf zu decken, tut Jung und Alt gut. Schulkindern hilft der große Schluck Wasser zwischendurch über so manches Konzentrationstief hinweg - aber nicht nur das.
Rosemarie Zehetgruber
Gesunder und positiver Fokus
Schon der Fokus auf etwas so Positives und Gesundes wie Wassertrinken, schafft einen wohltuenden Ausgleich – und kann in vielerlei Hinsicht zur Kraftquelle werden. Idealerweise wird diese Quelle auch tagsüber „angezapft“, wie das in den vielen Wasserschulen in Österreich der Fall ist.
„Die Idee zur Wasserschule entstand aus dem dreijährigen Pilotprojekt „Wiener Jause“, das an allen Volksschulen des 20 Bezirks in Wien lief“, erzählt die Ernährungswissenschaftlerin Rosemarie Zehetgruber. Im Zuge des Projekts führte die Ernährungswissenschaftlerin mit ihrer Kollegin Karin Kaiblinger eine Umfrage unter Schüler:innen durch, um herauszufinden, ob die Kinder in der Schule ausreichend Wasser trinken. Die meisten Kinder bejahten, Beobachtungen ergaben jedoch ein anderes Bild. „Studierende haben die Kinder im Anschluss einen Vormittag lang beobachtet und notiert, was getrunken und gegessen wurde.“ Das Ergebnis: 60 Prozent der Kinder trinken, entgegen der eigenen Wahrnehmung, gar nichts.
Nachhaltige Umstellung des Trinkverhaltens
Auf Basis dieser Ergebnisse entstand die Idee zur Wasserschule – das heißt, in der Schule wird ausschließlich Leitungswasser getrunken. In der Früh füllen die Kinder gemeinsam ihre Trinkflaschen mit gutem, frischem Wasser auf und trinken sie idealerweise bis Mittag leer. Indem sie die Wasserflaschen sichtbar platzieren, werden die Kinder an den gesunden Schluck erinnert. Die Erfahrung zeigt: Nach und nach etablieren und automatisieren sich die neuen (Trink-)Gewohnheiten. Spielerische Aktivitäten wie Wasserverkostungen machen das Thema mit den Sinnen erlebbar, erzählt Zehetgruber. „Man nimmt drei Krüge mit drei verschiedenen Wässern – zwei stillen Mineralwässern und Wasser frisch von der Leitung. Die Kinder merken die geschmacklichen Unterschiede: Das eine ist salziger, das andere schmeckt frischer.“
40 Prozent der Zuckeraufnahme durch Softdrinks
Die Kinder lernen nicht nur den Geschmack, sondern auch die Erfrischung durch Leitungswasser zu schätzen. Nebenbei eignet sich das Wassertrinken wunderbar, um Zucker einzusparen. „40 Prozent des Zuckers, den Kinder und Jugendliche bei uns aufnehmen, stammt von gesüßten Getränken – manche werden dadurch übergewichtig“, betont Zehetgruber. Der Softdrinks zugesetzte Fruchtzucker sorgt dafür, dass immer mehr Menschen von einer nicht-alkoholischen Fettleber betroffen sind. Dem wird durch Wassertrinken effektiv entgegengewirkt. Wird mehr (Wasser) getrunken, lernt man zudem die eigenen körperlichen Bedürfnisse genauer wahrzunehmen. Viele verwechseln Durst mit Hunger und essen, anstatt zu trinken.
Wenig Flüssigkeit, schlechte Konzentration
Und wie macht sich ein Flüssigkeitsmangel bemerkbar? „Schon eine ganz leichte Dehydration im Körper führt dazu, dass man unaufmerksamer und müder ist“, verweist Zehetgruber auf zahlreiche Studien. „Eine leichte Dehydration bewirkt, dass das Blut eindickt und langsamer rinnt – mit der Konsequenz, dass Sauerstoff und Nährstoffe langsamer ins Gehirn kommen.“ Die Folgen: Müdigkeit, Unaufmerksamkeit und mangelnde Konzentrationsfähigkeit.
Wird hingegen zu viel getrunken, geht dies zulasten der Nieren, die die Flüssigkeit wieder ausscheiden müssen. „Wenn Lehrkräften auffällt, dass ein Kind besonders viel trinkt, empfiehlt es sich, dass die Eltern abklären lassen, ob ein Diabetes dahintersteckt“, rät Zehetgruber.
Gegen Übergewicht, für gesunden Darm
Je nach Schulstufe setzt man in Wasserschulen auf unterschiedliche thematische Schwerpunkte. In Mittelschule und Volksschule geht es zum Beispiel über die Vorbeugung von Übergewicht. „Für Mittelschulen haben wir den gesunden Umgang mit Snack-Automaten thematisch integriert und außerdem festgelegt, dass es dort nichts allzu Süßes zu kaufen gibt “, sagt Zehetgruber. Außerdem gibt es „Zeiten und Zonen, die frei von Süßgetränken sind.“
An Höheren Schulen ist die Darmgesundheit ein Thema: „Wenn man viel Zucker aufnimmt und einseitig isst, geht die Bakterienvielfalt im Darm zurück, das schwächt auch das Immunsystem“, informiert die Expertin. Durch das Wassertrinken werden ein gesundes Mikrobiom und die Bakterienvielfalt im Darm gefördert.
Hilft Müll einsparen
Auch die Müllproblematik steht auf dem „Lehrplan“: Eine gesunde Umwelt liegt Jugendlichen sehr am Herzen, durch das Trinken von Leitungswasser können Müll vermieden und Plastikflaschen eingespart werden. „Würde in einer durchschnittlichen Wiener Schule jedes Kind in den 37 Schulwochen im Jahr auf zwei Plastikflaschen pro Woche verzichten, ließen sich 15.000 Flaschen jährlich einsparen“, rechnet Zehetgruber vor. Lehrkräfte finden in allen Fächern – ob Biologie, Mathematik, Geografie – Anknüpfungspunkte an das Thema Wasser. „Es ist ein faszinierendes Medium und lebenswichtig: Ohne Wasser geht nichts."
Das Projekt „Wasserschule“ wird in Wien durch „Fonds Gesundes Österreich“, die Wiener Gesundheitsförderung, Wiener Wasser und die Bildungsdirektion unterstützt. Informationen zur Umsetzung: https://www.gutessen.at/
75 Prozent der Wiener Volksschulen sind Wasserschulen. Inzwischen haben sich mehr als die Hälfte der Wiener Mittelschulen und Sekundarstufen angeschlossen, auch in Niederösterreich haben sich Wasserschulen etabliert. Die Erfahrung zeigt: Einmal Wasserschule, immer Wasserschule.
Interessierten Schulen aus anderen Bundesländern können selbst aktiv werden. Unterstützende Materialien finden sich auf http://www.waterschools.eu/.