Hybride Arbeitswelt: Wie Nähe und Sinn die Unternehmensbindung fördern
#mentalhealthmatters: Zwei Jahre im Krisenmodus mit Homeoffice und Social Distancing haben tiefe Spuren in der Arbeitswelt hinterlassen und dazu geführt, dass sich immer mehr Berufstätige die Sinnfrage stellen. Auch wenn hybrides Arbeiten viele Vorteile bietet, die fehlende Nähe zum Team forciert Einsamkeit und Isolation – beides sind gesundheitsgefährdende Faktoren. Teambuilding- und andere Maßnahmen können die Bindung zum Team und Unternehmen (wieder)herstellen und der Einsamkeit entgegenwirken.
Die Coronakrise hat dazu geführt, dass viele Menschen ihre Karriere, die Arbeitsbedingungen und langfristigen Ziele neu überdacht haben. Immer mehr kündig(t)en ihre Arbeit, ob es sich nun um gut dotierte oder schlechter bezahlte Jobs handelte. „Offensichtlich hat die COVID-Krise auch am Arbeitsmarkt einen Katalysator-Effekt ausgelöst – für einen bereits seit längerer Zeit wahrnehmbaren Wertewandel unter den Beschäftigten“, beobachtet Harald Schmid (klaglos.at), Führungskräfte-Coach und Berater im Konfliktmanagement.
Auf Sinnsuche – The Great Resignation
Eine mögliche Erklärung für The Great Resignation (*), wie das Phänomen in den USA genannt wird? „Die Pandemie ist für viele Beschäftigte zu einem Moment des Erwachens geworden. Wie unter einem Brennglas ist sichtbar geworden, dass der aktuelle Job nicht der gewünschten Work-Life-Balance entspricht“, sagt Schmid. Das Umdenken ist nicht nur im US-amerikanischen Raum zu beobachten, sondern auch im deutschsprachigen, wie etwa der aktuelle Arbeitsklima Index (**) der AK Oberösterreich zeigt.
Welt im Wandel – Wertewandel?
Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen einige Mauern, andere setzen Segel, heißt ein chinesisches Sprichwort. „Bisher wurden in unsicheren Zeiten in der Regel Mauern aufgezogen. Die COVID-Krise scheint hier einen Paradigmen-Wechsel ausgelöst zu haben: Immer mehr Menschen wollen aktuell die Segel setzen“, beobachtet Schmid. Viele würden die Unsicherheit in der (Arbeits-)Welt nicht mehr ausschließlich als Bedrohung, sondern auch als Möglichkeit erleben.
In Zeiten dieses Wertewandels wird die Bindung an das Unternehmen (engl. Retention) zur besonderen Herausforderung und Schlüsselaufgabe. „Es gilt, über die Distanz die Mitarbeitenden zu halten“, bringt der Experte es auf den Punkt.
Distanz im Homeoffice fördert Einsamkeit
Die Post-Corona-Arbeitswelt ist eine hybride – das bietet viele Vorteile. Allerdings sorgt Remote-Work nicht nur für räumliche, sondern auch emotionale Distanz – das kann Einsamkeitsgefühle forcieren und die mentale Gesundheit beeinträchtigen. „Die Mitarbeitenden haben untereinander weniger Kontakt, sind nicht mehr so nah am Unternehmen dran“, veranschaulicht der Berater. Eine weitere mögliche Folge: „Loyalität geht verloren, der Arbeitsplatz wird austauschbarer und letztendlich steigt damit auch die Wechselbereitschaft“, zählt Schmid auf. „Wenn man das ganze Jahr wenig unmittelbaren und persönlichen Kontakt hat, ist es vielleicht irgendwann egal, für welches Unternehmen man im Homeoffice arbeitet.“
Digitalisierung verlangt mehr Socializing
So positiv sie in vielen Bereichen ist: Die fortschreitende Digitalisierung hat ihre Schattenseiten und dürfte Einsamkeit und Isolation zusätzlich vorantreiben. Mit dem (vorwiegend) virtuellen Austausch wird die Kommunikation oberflächlicher – zwischenmenschliche Nähe, essenziell für die soziale Gesundheit, geht verloren. Früher wurden am Arbeitsplatz soziale Kontakte sozusagen „frei Haus“ mitgeliefert. Das ist durch das Remote-Arbeiten inzwischen anders. „Die Folgen des COVID-bedingten Digitalisierungsbooms sind vielfach noch unklar“, unterstreicht Schmid. Was der Coach zuletzt verstärkt beobachtet: „Nach zwei Jahren vorwiegend digitalem Arbeiten ist die Empfindlichkeit in den Teams sehr hoch, was vermehrt zu Konflikten führt.“ Das Paradoxe daran: „Digitale Kanäle sollten eigentlich die Zusammenarbeit in den Teams effizienter gestalten. Ich getraue mich zu sagen, das Gegenteil wird eher eintreten: Es wird viel mehr Sensibilität und auch Zeit für zwischenmenschliche Kommunikation brauchen. Das, was die Digitalisierung in den Arbeitsprozessen einspart, wird für das Socializing benötigt.“
Status-quo-Analyse im Team
Es braucht also dringend Strategien, um das Miteinander zu stärken. Teambuildingmaßnahmen, wie sie aktuell in vielen Unternehmen gesetzt werden, hält Schmid für wichtiger denn je. „Die Teams sollten gemeinsam eine Statusanalyse vornehmen: Wie geht es uns? Welche Learnings aus der Krise wollen wir mitnehmen? Wie wollen wir Teamarbeit zukünftig gestalten? Wie wollen wir miteinander kommunizieren? Was können wir tun, wenn es jemandem nicht so gut geht?“
Beim „Post-Corona-Teambuilding“ geht es sowohl um die Aufarbeitung der letzten Monate (und Jahre) als auch darum, Weichen für die Zukunft zu stellen. „Man muss sehr offen, ehrlich und direkt miteinander kommunizieren, dann kann es sehr gut funktionieren.“
Anker sein, Stabilität vermitteln
Auch in den Führungsetagen fungiert die Coronakrise als eine Art Katalysator. „Die Entwicklung weg vom hierarchischen Denken wurde bereits vor der Krise stark propagiert – jetzt sollte es auch tatsächlich umgesetzt werden“, betont Schmid. Womöglich müssen zusätzliche Kompetenzen erarbeitet werden. „Es geht einerseits darum, dem Team ein stabiler Anker zu sein. Und sich andererseits auf die Veränderung einzulassen und die Mitarbeitenden gut durch die Zeit des Wandels zu bringen.“ Sinnaspekte müssen – neben monetären und fachlichen – verstärkt in Betracht gezogen werden. Das Sinngefühl zu stärken, fördert zugleich Nähe und Bindung: „Als Führungskraft muss ich mir überlegen: Wofür stehen meine Mitarbeitenden? Wofür brennen sie? Wie kann ich sie inhaltlich erreichen, wie stärken?“ (Noch mehr) Kommunikation dürfte auch hier ein Schlüssel zum Erfolg sein.
Ehrliches Interesse aneinander
Wie das im Remote-Modus gelingen kann? „Man muss virtuell mehr Nähe schaffen, was entsprechend mehr Zeit braucht“, erklärt der Coach. „Es gilt, wirklich in Kontakt miteinander zu treten und, über die Distanz hinweg, zu bleiben.“ Dabei müsse das ehrliche Interesse am Wohlergehen durchkommen. „Die Mitarbeitenden sollten spüren, dass es der Führungskraft wirklich wichtig ist, zu erfahren, wo sie stehen und was sie brauchen. Offene, ehrliche Kommunikation, Empathie und Konfliktkompetenz – diese Führungseigenschaften sind das Um und Auf in einer hybriden Arbeitswelt.“
Fazit: Um Mitarbeitende an das Unternehmen zu binden und dafür zu sorgen, dass sich alle im hybriden Arbeitskontext wohl fühlen, braucht es mehr und offenen Austausch. Die dadurch entstandene Nähe wirkt Einsamkeit entgegen und stärkt das Wir-Gefühl.
(*) https://en.wikipedia.org/wiki/Great_Resignation
(**) https://ooe.arbeiterkammer.at/beratung/arbeitundgesundheit/arbeitsklima/arbeitsklima_index/Arbeitsklima_Index-_Immer_mehr_wollen_Job_wechseln.html
Mit hybriden Arbeitsmodellen wird bei UNIQA das Beste aus beiden Welten – physisch und virtuell – vereint. Damit möchte UNIQA den Mitarbeitenden mehr Selbstbestimmung sowie Flexibilität bieten und das Büro künftig verstärkt als Ort der Begegnung gestalten. Für die neue Art des Arbeitens mit mehr Eigenverantwortung und teils physischer, teils virtueller Teamarbeit werden Führungskräfte und Mitarbeitende speziell geschult. Karriere bei UNIQA