Vom richtigen Umgang mit Energievampiren

Energievampire saugen Lebenskraft und lassen ihre Opfer erschöpft oder hilflos zurück. Die Psychologin Connie Voigt und Psychologe Hamid Peseschkian und verraten, wie man sie erkennen und sich gegen sie wehren kann.

Frau greift sich erschöpft an den Kopf

Obwohl der Tag im Büro nicht sonderlich anstrengend war, fühlen wir uns am Abend erschöpft und ausgelaugt. Oder, eben hatten wir noch gute Laune, aber nach dem Treffen mit einem Freund ist unsere Stimmung im Keller, ohne dass eigentlich etwas Schlimmes passiert ist. Die Ursache könnte sein, dass uns ein Energievampir angezapft hat: In einer relativ unbedeutend scheinenden Situation wird überproportional viel Energie von uns abgesaugt. Da dies in einem kurzen Zeitraum passiert, tendieren wir dazu, dieses punktuelle Erlebnis schnell wieder zu vergessen. In der Positiven Psychologie spricht man jedoch von Mikrotraumen: Kleinigkeiten, denen man zunächst keine Bedeutung beimisst, die aber auf Dauer gesehen verletzend wirken.

Der Psychologe Hamid Peseschkian erklärt: „Psychovampire wirken wie ein Leck im Tank: Man kann zwar weiterfahren, muss aber ständig tanken, da der Verbrauch gestiegen ist. Mit der Lebensenergie ist dies genauso, und einige Jahre oder Jahrzehnte später wundert man sich, dass man chronisch erschöpft, abgespannt, müde und vielleicht auch depressiv geworden ist. Aber die Wahrnehmung, dass wir jemanden als anstrengend erleben, beinhaltet eine rein subjektive Wertung, die nicht für alle Menschen gilt. Das bedeutet, Energievampire sind nicht universal identifizierbare Täter.“

Achillesferse 1: Selbstwertgefühl

Energievampire haben also mit unserer Wahrnehmung zu tun. Denn ein Energievampir wirkt nicht auf jeden Menschen als Blutsauger. Es kann durchaus sein, dass die Freundin, die wir als mühsam erleben, weil sie ohne Punkt und Komma redet, von jemand anderem als lebendig oder quirlig wahrgenommen wird. Wie ein anderer Mensch auf uns wirkt, hat viel mit uns selbst und unseren Defiziten, vor allem unserem Selbstwertgefühl, zu tun.

„Der Energievampir ist der Auslöser, aber nicht die Ursache eines unbearbeiteten, unbewussten, inneren Konfliktes, der in mir seit Langem vorhanden ist. Er identifiziert unsere Schwachpunkte ohne bewusste Boshaftigkeit, zumal er ja auch nicht weiß, weshalb er einen solchen Einfluss hat. Positiv gesagt, hilft der Vampir uns, uns unserer Schwäche und Unvollkommenheit bewusst zu werden. Leider, ohne dass wir ihn darum gebeten haben. Es handelt sich im Grund um eine Art kostenlose Selbsterfahrung oder Selbstreflexion, die sonst vielleicht sehr lange dauern oder nie zustande kommen würde“, sagt Psychologin Connie Voigt.

Achillesferse 2: Selbstbestimmung

Neben dem Selbstwertgefühl ist Selbstbestimmung eine weitere Achillesferse, die der Energievampir häufig trifft. Im Umgang mit ihm stellt sich das Gefühl ein, nicht mehr selbstbestimmt, sondern fremdbestimmt zu sein. Etwa bei einem endlosen Meeting ohne konkrete Ergebnisse, in dem man ausharren muss, auch wenn die eigene Arbeit unter den Nägeln brennt. Oder der Wochenendbesuch bei den Schwiegereltern, bei dem man das Gefühl hat, eine Rolle spielen zu müssen und nicht man selbst sein zu können.

Ein paar Gegenstrategien:

Erster Schritt Selbsterkenntnis

Wenn wir uns bei oder nach einem Treffen mit jemandem schlecht fühlen, können wir uns fragen: Welchen Knopf hat mein Gegenüber bei mir gedrückt? Welche Schwachstelle hat er erwischt? Welche ähnlichen Situationen oder Aussagen kenne ich aus meiner Kindheit? Welche alten Wunden hat er womöglich berührt?

Im eigenen Tempo

Lassen wir nicht den Energievampir das Tempo vorgeben. Die wenigsten Dinge müssen sofort entschieden werden oder bis gestern fertig sein. Vor allem bei Zweifeln ist es besser, sich Zeit zu nehmen. Mit Abstand lässt sich besser erkennen, welche Entscheidung die richtige ist.

Mit Worten wappne

Energievampire benutzen häufig Killerphrasen. Wenn man diese kennt, kann man sich im Vorhinein Antworten überlegen. Ihr Bruder reibt Ihnen unter die Nase, dass er erfolgreicher ist als Sie? Antworten Sie mit einer Gegenfrage: „Worin besteht für Dich Erfolg? Ihr Chef sagt: „Das wird doch niemals funktionieren.“ Fragen Sie zurück: „Worin genau sehen Sie das Problem? Ihre Mutter kritisiert Ihr neues Outfit? Verstehen Sie sie absichtlich falsch und nehmen Sie ihr mit einem strahlenden „Ich wusste, dass es dir gefallen wird“ den Wind aus den Segeln.
Ihr Partner meint, Sie hätten zugenommen? Geben Sie ihm zu bedenken, dass dickere Menschen seltener entführt werden, weil sie schwerer zu tragen sind. Dadurch ersparen Sie ihm das Lösegeld.

Buchtipp

Hamid Peseschkian & Connie Voigt: Psychovampire – Über den positiven Umgang mit Energieräubern; Goldmann Verlag 2018; ISBN 978-3-442-17750-9

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