Schlafräuber Blaulicht

Verzögert das blaue Licht der Displays von Handys oder Laptops tatsächlich das Einschlafen? Was am Mythos stimmt, erkundet Schlafforscherin Dr. Christine Blume

Frau liegt im Bett und schaut auf ihr Handy und es strahlt sie an
(c) UNIQA | Melina Kutelas

Will man das Prinzip mit dem blauen Licht verstehen, braucht es einen kleinen Ausflug in die Physik. Licht, das für unsere Augen sichtbar ist, umfasst nur einen relativ schmalen Wellenlängenbereich des elektromagnetischen Spektrums. 

Er reicht von Rot (630-700 Nanometer) bis Violett (400-450 Nanometer). Die Beleuchtung der Displays unserer elektronischen Geräte – ob sie nun LED, OLED oder IPS heißen – besitzt einen hohen kurzwelligen Anteil, oder anders gesagt: sie emittieren blaues Licht. Dieses hat eine Wellenlänge von etwa 460-480 Nanometer, und das wiederum ist ein Bereich, auf den unsere innere Uhr besonders sensibel reagiert.

Im Takt der inneren Uhr


„Tagsüber ist der Anteil dieses Blaulichts im Tageslicht relativ hoch, auch wenn wir das Tageslicht nicht als „blau“ wahrnehmen“, erklärt Dr. Christine Blume. Als Schlafforscherin erkundet sie am Zentrum für Chronobiologie der Universität Basel die biologischen Rhythmen, denen der Mensch unterliegt und ihren Taktgeber, die innere Uhr.

Und weiter: „Für diesen kurzwelligen Bereich existieren spezialisierte Rezeptoren in unserer Netzhaut, die unserem Gehirn und unserer inneren Uhr signalisieren, wie viel von diesem Lichtspektrum vorhanden ist und ob es Zeit ist, wach und aktiv zu sein. Besonders gut kann man das an der Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin beobachten. Ist es helllichter Tag, wird die Melatoninproduktion gedrosselt, wird es abends dunkel, steigt sie und wir werden müde und können einschlafen.“

Das Problem ist, dass es dem Körper egal ist, ob das Blaulicht vom Tageslicht oder Handydisplay stammt. Erreicht es die Rezeptoren auf der Netzhaut, schaltet der Körper auf Aktivität, und geschieht dies am Abend, verschiebt sich der zirkadiane Rhythmus: die Ausschüttung von Melatonin wird unterdrückt, wodurch das Einschlafen schwerer fällt, die Schlafdauer in Folge kürzer wird und die Tagesmüdigkeit steigt.

Filter gegen blaues Licht

Eine Abhilfe können Blaulichtfilter bieten. „Die meisten Handymodelle haben mittlerweile ohnehin einen Nachtschichtmodus eingebaut. Als Alternative empfiehlt sich eine App mit Blaulichtfilter. Das geht zwar etwas auf Kosten der Farben, weil der Bildschirm dann orange ist, aber es ist trotzdem sehr empfehlenswert, um die innere Uhr nicht durcheinander zu bringen.

Bei einer Messung haben wir verglichen, welchen Effekt die Helligkeitseinstellung des Displays in Kombination mit Blaulichtfilter hat, und es hat sich gezeigt, dass der Blaulichtfilter umso wichtiger ist, je heller das Display eingestellt ist. Gut ist die Kombination von Blaulichtfilter und gedämpfter Helligkeit“, sagt Christine Blume.

Ebenfalls erhältlich sind Brillen, welche das blaue Licht herausfiltern. Diese sieht die Schlafforscherin allerdings eher kritisch: „Wer am Abend noch am PC arbeiten muss, für den ist so eine Brille gut geeignet. Aber untertags brauchen wir das blaue Licht. Je mehr Tageslicht wir bekommen, desto früher werden wir auch müde, desto mehr Tiefschlaf haben wir und desto besser ist auch die wahrgenommene Schlafqualität. Kurz gesagt, untertags brauchen wir blaues Licht, problematisch ist es am Abend.“

Wie stark die innere Uhr von kurzwelligem Licht aus dem Takt gebracht wird, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Der eine reagiert sensibler als der andere. Die Empfehlung von Schlafforschern lautet jedoch einstimmig, dass man Handy, Tablet und Co. mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen ausschalten sollte. Denn ist es nicht das Blaulicht, das einen um den Schlaf bringt, dann womöglich die konsumierten Inhalte.

Zur Person:
Dr. Christine Blume ist Psychologin und Schlafforscherin am Zentrum für Chronobiologie der Universität Basel. In ihrem aktuellen Forschungsprojekt untersucht sie die Wirkung von künstlichem Bildschirmlicht am Abend auf den menschlichen Schlaf. 

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