Ist positiv tatsächlich positiv?

Der Psychologe Bardia Monshi über die Zwiespältigkeit von positiven Gedanken, die Wichtigkeit von Selbstzweifeln und mentale Stärke als Lebensprinzip. 

Frau entspannt in der Natur
(c) UNIQA | Melina Kutelas

Wie kommt man im Leben zu Erfolg und Reichtum? Wie bringt man es zu etwas und strengt sich dabei möglichst wenig an? Manche „Selbsthilfe-Gurus“ tun so, als hätten sie das Geheimnis gelüftet und es heißt schlicht „positive Gedanken“. Mit der passenden Grundeinstellung lässt sich alles erreichen.

Aber stimmt das? „Nein, leider nicht. Es ist sogar wissenschaftlich erwiesen, dass banalisierendes positives Denken, im Sinne von: ‚Ich brauche nichts zu tun, es wird schon alles gut gehen‘, sogar negative Auswirkungen auf Erfolg und sogar die Lebenserwartung haben. Wir benötigen schon beides, gesunde Skepsis und gesunden Optimismus“, sagt der Psychologe und Autor Bardia Monshi, denn: „Positive Fantasien können einen so sehr beruhigen, dass man aufs Handeln vergisst. Man denke nur daran, wie oft Menschen schon verpasst haben für eine Prüfung zu lernen, weil sie sich gedacht haben: ‚Ich werde das schon schaffen‘ und dann statt zu lernen im Internet flaniert sind.“  

Wurzeln und Flügel

In seinem jüngsten Buch „Positiv denken allein hilft auch nicht – Mentales Krafttraining für den Dschungel des Alltags“, das er gemeinsam mit dem Ex-Skitrainer für das Österreichische und Schweizer Nationalteam Mathias Berthold verfasst hat, schreibt er: „Es wäre blanke Naivität, Hindernisse und Hürden zu ignorieren und sie einfach zu verdrängen. Die Titanic war eine wunderbare Vision, sie war ein wahrgewordener Traum an Technik und Luxus, und sie war ein Musterbeispiel dafür, wie positives Denken eine Katastrophe herbeiführen kann. Der Negativdenker hätte niemals ein Schiff wie die Titanic gebaut. Das übertriebene und zu einseitige Positivdenken hat dazu geführt, dass die Titanic mit viel zu wenigen Rettungsbooten ausgestattet war.“

Ist also eine pessimistische Weltsicht, der Schlüssel zum Erfolg oder anders gesagt, sind „glückliche Schwarzseher“ den „Zwangsoptimisten“ überlegen?

Bardia Monshi: „Zwangsoptimisten sind doch immer irgendwie oberflächlich. Ich sage den Zwangs-positiv-DenkerInnen immer, dass sie nicht so negativ über das Negativ-Denken denken müssen. Was wäre ein Nietzsche ohne negative Gedanken gewesen oder ein Josef Hader? Das negative Denken führt uns in die Tiefen des Lebens, das positive in die Höhen, das eine verleiht uns Wurzeln, das andere Flügel.“

Der Überbegriff über beiden ist mentale Kraft. Sie beinhaltet positive Gedanken ebenso wie Selbstzweifel. Erst über diese können wir uns selbst in Frage stellen, uns verändern und verbessern.  

Die mentale Kraft trainieren

So individuell jedes einzelne Leben ist, die mentalen Kräfte sind allgemein gültig. „Wir alle benötigen die Fähigkeit der Selbstberuhigung, der Selbstkonfrontation, also sich mit Unangenehmem auseinandersetzen zu können und sich dabei selbst zu hinterfragen. Des Weiteren benötigen wir Selbstmotivation, also echtes ins Handeln kommen, damit wir nicht prokrastinieren. Wir benötigen auch Selbstbremsung, damit wir in Euphorie nicht vorschnell handeln, sondern vorher gut abwägen, wenn das notwendig ist. All diese Prozesse beginnen mit dem Wort ‚Selbst‘ und das ‚Selbst‘ ist jene Instanz unserer Persönlichkeit, die mentale Kräfte aktivieren kann. Und diese haben wir alle ein Leben lang zu verwirklichen.“, erklärt der Psychologe.

So wie sich der Körper durch Training stärken lässt, so kann man auch mentale Kraft mittels Übungen trainieren, wie Bardia Monshi sagt: „Das Lesen über mentale Kräfte allein hilft nicht. Es braucht die praktische Übung, aber nachdem das Leben einem ja ständig etwas in den Weg legt, haben wir auch unzählige Möglichkeiten mitzulernen. Es braucht aber anfangs den Entschluss: Ich möchte mich mental weiterentwickeln. Dann kann man mit Meditation, Selbsthypnose oder anderen Übungen wie gezielten Fragen beginnen. Denn Fragen sind kleine Hypnosen. Jede Frage die ich mir stelle, richtet meinen Fokus aus. Wenn ich mich frage: ‚Warum passiert das immer mir?‘, dann suche ich innerlich nach ähnlichen misslichen Lagen und Missgeschicken in meiner Vergangenheit. Wenn ich mir hingegen die Frage stelle: ‚Warum darf ich dran glauben, dass ich etwas schaffen kann?‘ oder ‚Wer kann mir dabei helfen etwas zu lösen?‘, dann lösen diese Frage ganz andere innere Suchprozesse aus, eben ressourcenorientierte und konstruktive Gedanken.“

Dr. Bardia Monshi

Zur Person:  

Dr. Mag. Bardia Monshi ist Gründer und Geschäftsführer des Instituts für Vitalpsychologie und Eigentümer der APP eleMenta. Seit 1999 ist er als Psychologe, hypnosystemischer Coach, Trainer und Speaker tätig. Er und sein Team begleiten im Rahmen der Arbeits- & Organisationspsychologie in D-A-CH Menschen und Organisationen in der Entwicklung ihrer mentalen, sozialen und organisationalen Vitalität. 

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